Powertage-Story Powertage 2022

Was lernt man aus Erfolg - und was aus Fehlern?

Das Open Innovation Forum an den Powertagen 2022 zeigte Fehlschläge, die am Schluss vielleicht gar keine waren – und Erfolgsgeschichten, die noch nicht ganz fertig sind.

Nachher ist man immer gescheiter. Und es ist wichtig, dass die Nächsten von diesem Nachher vorher etwas wissen, damit sie es besser machen können. In diesem Sinne präsentierte das Open Innovation Forum an den Powertagen neben Erfolgsgeschichten drei lehrreiche Fehlschläge.

Wasser gesucht und Gas gefunden

Wer scheitert, ist meist auch lange nach dem Ende des Projekts noch mit viel Herzblut dabei. Das gilt auch für den St. Galler alt Stadtrat Fredy Brunner, der das Geothermieprojekt von St. Gallen während seiner achtjährigen Amtszeit konsequent vorangetrieben hatte – und dann doch gescheitert war. Die Idee: Heisses Wasser aus tiefen Erdschichten gewinnen und damit Strom erzeugen und ein Fernwärmenetz betreiben. Die nötige Finanzierung von 157 Millionen Franken wurde bei einer Abstimmung mit einer in einer Demokratie fast unglaublichen Mehrheit von 83 Prozent angenommen. Man wusste, dass das Ganze nicht einfach werden würde, doch Fredy Brunner hat unermüdlich Überzeugungsarbeit geleistet. 

Nach den Erfahrungen des Basler Geothermie-Bebens, das sich 2006 – exakt 650 Jahre nach dem berüchtigten grossen Basler Erdbeben von 1356 – *ereignet hatte, nahm Brunner zu seinen Veranstaltungen immer auch einen Erdbebenspezialisten mit, der den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Medien alle Fragen beantwortete – auch die absurdesten, etwa ob man die Existenz von Elfen im Boden abgeklärt habe. Am Schluss hat es in St. Gallen trotzdem nicht geklappt: In 4500 Metern Tiefe kam viel weniger Wasser zum Vorschein, als man erwartet hatte, dafür aber so viel Erdgas, wie die Stadt St. Gallen an einem kalten Herbsttag verbraucht. Doch die förderbare Gasmenge war zu klein, als dass sich die notwendigen Investitionskosten gelohnt hätten. Deshalb musste die Stadt das Bohrloch schweren Herzens verschliessen. Allerdings wird Fredy Brunner noch immer gefragt, ob denn eine Nutzung nicht doch noch möglich wäre. Seine Kommunikation war perfekt, er hatte die ganze Stadt hinter sich.

Wenn nicht hier ein Windrad – wo dann?

Beim Windkraftprojekt in Muttenz hingegen hat es punkto Kommunikation nicht geklappt, wie Thomi Jourdan, Gemeinderat von Muttenz, erklärte. Die Windturbine hätte irgendwo zwischen Autobahn, Eisenbahn, Rangierbahnhof und Chemiepark gebaut werden sollen. Dort ist es teilweise so laut, dass sich die Kinder auf dem Abenteuerspielplatz nur schreiend unterhalten können. Das Windrad wäre auch bei absoluter Stille kaum zu hören gewesen. Trotzdem argumentierten die Gegner des Projekts, die Windturbine sei zu laut und würde die Umwelt verschandeln – in einer seit Jahrzehnten ziemlich verschandelten Industrieumgebung. Die Gemeinde fragte sich deshalb zu Recht: «Wenn nicht hier – wo denn sonst?» Am Schluss ging die Abstimmung in der Gemeindeversammlung knapp verloren. Jourdans Lehre daraus ist, dass man nicht genug Kommunikation betreiben kann. Zu seiner Genugtuung kommt das Projekt wieder aufs Tapet – von einer Bürgerbewegung, die ausserhalb der Gemeindeverwaltung dafür weibelt.

Aus anderen Gründen ist das Start-up Ormera gescheitert. 

Dessen Portal zur Messung und Verrechnung von eigenproduziertem Strom mittels Blockchain-Infrastruktur wollte Rechnungen via Smartmeter direkt vom Konto abbuchen. Das Prototypsystem konnte den Energiepreis eines Kaffees direkt von der Kaffeemaschine aufs Handy schicken. Ursprüngliche Investoren waren PostFinance und Energie Wasser Bern. Doch als sich das Start-up von seinen Mutterfirmen lösen wollte, kam keine neue Finanzierung zustande. Das war das Ende – genau in jenem Moment, als alles funktioniert hätte.

Und die erfolgreichen?

Vorgestellt wurden auch erfolgreiche Gründungen. So sind Swissgrid und EWZ dabei, einen automatischen Markt für Systemdienstleistungen und Regelenergie für das Stromnetz auszuarbeiten. Vorläufig ist es erfolgreich – ein virtuelles Konstrukt, in welchem Auto- und Wärmepumpenhersteller die Kapazität ihrer Batterien und ihre Stromverbräuche einbringen und das den Netzbetreibern über einen virtuellen Markt verkaufen. 

Eine weitere Organisation, bestehend aus dem Basler Netzbetreiber IWB und dem Schwyzer Netz- und Kraftwerksbetreiber EBS, will die Produktion von Wasserstoff ausbauen. Dabei sollen die Schwyzer Wasserkraftwerke vor allem dann Wasserstoff produzieren, wenn der laufende Bedarf primär durch Fotovoltaik gedeckt ist und es für den Wasserstrom keine Abnehmer gibt, die Turbinen aber trotzdem laufen müssen. 

Beide Projekte gelten im Moment als Erfolg, sind aber noch nicht da, wo sie einmal hinwollen. 

Irrationale Argumente

Die Gegenüberstellung von Erfolgen und Misserfolgen zeigte deshalb vor allem auch, dass es sehr viel spannender ist, sich mit Misserfolgen als mit Erfolgen zu befassen. Bei Erfolgen weiss man nie genau, was nun wirklich entscheidend ist und auf wie viel Glück und günstige Zufälle man noch hoffen darf. Bei den Misserfolgen fallen Glück und günstige Zufälle weg, und es bleiben die nackten Tatsachen. Und diese sind bisweilen sehr erhellend – etwa, dass das beste technische Konzept ohne gute Kommunikation chancenlos ist. Und diese Kommunikation muss vor allem auch die rechte Hirnhälfte ansprechen, also die Emotionen. Ingenieure hingegen argumentieren oft nur rational und ärgern sich dann über die irrationalen Gründe für den Misserfolg. Dann ist es vielleicht auch tröstlich, dass manchmal auch die beste Technik und die beste Kommunikation nicht zum Erfolg führen, wenn das Quäntchen Glück fehlt, das es oftmals braucht. 

zur Bildauswahl des Open Innovation Forum

Weitere Bilddaten können über das Team Marketing & Communication angefragt werden. Die Fotos sind Eigentum der MCH Messe Schweiz (Basel) AG. Download und Reproduktion sind nur im Zusammenhang mit den Powertagen und nur zu redaktionellen Zwecken gestattet. Bei Veröffentlichung bitte Quelle angeben: «MCH Messe Schweiz (Basel) AG».


Präsentationen der Referenten
Fredy Brunner, alt Stadtrat St. Gallen
Fabian Baerlocher, Experte ZEV und Energie, Rapp AG
Thomi Jourdan, Gemeinderat, Vorsteher Hochbau & Planung: Gemeinde Muttenz
Evangelos Vrettos, R & D Manager: Swissgrid AG und Vanessa Schröder, Project Manager Strategic Asset Services: ewz
Arthur Janssen, Leiter Strategie und Innovation bei IWB, sowie Präsident der H2-Produzenten
David Heinzer, Projektleiter Energiedienstleistungen, ebs Energie AG